Streusalz am Fahrrad
Vom
Fuhr heute mit meinem Fahrrad zur Selbstbedienungs-Waschbox an der Tankstelle, um es vom angesammelten Winterstraßenschmutz zu erlösen. Zwei Euro schluckte die Anlage, bevor ich die Reinigunsartillerie unter mein Kommando nehmen durfte. Der Kommandeur stellte mich prompt vor die Entscheidung: Schaum- oder Klarwasser? Natürlich Wasser mit Schaum!
Ich nahm die Reinigungspistole – ein schweres Gerät – in die Hand, zielte auf die Dreckkruste und drückte den Abzug. Der Rückstoß des wuchtigen Wasserdrucks schleuderte mich beinahe aus der Waschbox heraus. Ging leicht in die Knie, um mit meinem Körpergewicht besser gegenhalten zu können. Tosend wallte das schäumende Wasser. Die Seifenblasen bäumten sich auf, wie Gischt auf den Wellen einer Ostseebrandung.
Was für ein reinigendes Gefühl, die Fahrradlegierung von weiterem Unheil durch Streusalz zu entlasten. „Pass auf die Naben auf!“, sah ich einen früheren Kommilitonen in Poloshirt vor meinem geistigen Auge mit über dem Kopf zusammengeschlagenen Händen rufen. OK, OK, mach ich.
Mittlerweile konnte ich den Drahtesel kaum noch ausmachen. Er war irgendwo unterm Laugenberg begraben. Mein Zeitgefühl kam mir abhanden. „Abspülen muss ich die Seifenlauge ja auch wieder – die zwei Euro neigen sich sicher schon dem Ende zu“, dachte ich mir. Ließ also den Abzug des Reinigungsgeschützes los.
Die Baumkrone des Schaums ragte weit über die Waschbox hinaus. Ich kämpfte mich am Stamm vorbei zum Hauptsschalter der Anlage vor. Mit ausgestrecktem Arm erreichte ich den Hebel und stellte auf „Klarwasser“ um. Für einen Moment bewunderte ich den Berg aus Schaum schwärmerisch. Irgendwie sah er stolz aus. Wären die Seifenblasen nicht früher oder später sowieso zum Platzen verurteilt, hätte ich ihn bewahren wollen. Aber ich werde mein drahtigen Gefährt nicht dem Gemisch aus Wasser und Seife überlassen. Und unter uns, ich brauche mein Fahrrad.
Die Zeit war gekommen zum Armageddon des Schaums zu werden. Was ich erschuf, musste ich einreißen. Positionierte mich mit versetzten Beinen vor dem aufbäumenden Berg und betätigte erneut den Abzug. Gallonen pro Sekunde schossen aus dem Feuerlöschschlauch und prallten auf den Schaumberg ein. Jetzt ging es ganz rasch – der Berg wurde zum Hügel, dieser wiederum zum Steingrab, bis ich mein Fahrrad wieder erkannte.
Die letzten Seifenreste wurden weggeschwemmt. Irgendwo in der Waschbox kam ein Motor rasselnd zum Stehen. Kurz darauf erlosch der Wasserschwall. Das waren gut investierte zwei Euro.
Ich steckte die Pistole wieder in das Holster der Anlage. Mein Rad wurde von allem Schmuddel erlöst. Auf dem Heimweg hörte ich es aufatmen. Eine gute Tat. Ich fühle mich wirksam!
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